BGH zur Reichweite des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DSGVO

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 15.06.2021 (Az.: VI ZR 576/19) erstmals konkret Stellung zu dem in Art. 15 DSGVO geregelten Auskunfts- und Kopieanspruch genommen. Dabei legt der BGH seiner Entscheidung ein weites Begriffsverständnis „personenbezogener Daten“ zugrunde, welche Gegenstand eines entsprechenden Anspruchs sein können. Eine Erfüllung des Anspruchs sieht der BGH nur dort, wo der Verpflichtete zusichert, dass die durch ihn zur Verfügung gestellten Daten nach seiner Kenntnis vollständig sind.

Auskunfts- und Kopierecht der betroffenen Person nach Art. 15 DSGVO

Eine von einem Datenverarbeitungsvorgang betroffene Person hat gemäß Art. 15 Abs. 1 DSGVO das Recht, von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden. Ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten sowie auf weitere Informationen wie u.a. die Verarbeitungszwecke, die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling und aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung für die betroffene Person.

Zudem hat der Verantwortliche gemäß Art. 15 Abs. 3 DSGVO eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen. 

Der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt

Der Kläger hatte bei einer Rechtsvorgängerin der Beklagten 1997 einen Lebensversicherungsvertrag abgeschlossen, von dem er sich im Jahr 2016 wieder lösen wollte. Dem widersetzte sich die Beklagte, woraufhin der Kläger eine Übersicht über die von ihm bei dem Versicherer verarbeiteten personenbezogenen Daten nach altem Recht (Datenübersicht nach § 34 BDSG) verlangte. Die begehrte Datenübersicht wurde dem Kläger zur Verfügung gestellt, war jedoch nach dessen Ansicht nicht vollständig. Neben weiteren Ansprüchen verfolgte der Kläger sein Anliegen daher in der Folge gerichtlich.

Nachdem bereits das Amtsgericht als Ausgangsgericht die Klage abgewiesen hatte (AG Brühl, Entscheidung vom 07.03.2017, Az.: 24 C 407/17), urteilte auch das Berufungsgericht (LG Köln, Entscheidung vom 19.06.2019, Az.: 26 S 13/18), die Beklagte habe den Auskunftsanspruch des Klägers aus Art. 15 DSGVO vollständig erfüllt. Demnach habe die Beklagte dem Kläger in zwei Schreiben verschiedene Auskünfte und Informationen erteilt und angegeben, dass weitere personenbezogene Daten über den Kläger nicht gespeichert bzw. verarbeitet worden seien. Zurückliegende Korrespondenz der Parteien unterfalle dem Auskunftsanspruch ebenso wenig wie Datenauskünfte zu internen Bearbeitungsvermerken oder das Prämienkonto im Rahmen des Versicherungsverlaufs. 

Soweit mit Bezug zu Art. 15 DSGVO entscheidungsrelevant, verfolgte der Kläger eine vollständige Datenauskunft durch Überlassen in Kopie – hilfsweise in Textform – mit seiner Revision vor dem BGH weiter.

Die Entscheidung des BGH

Die Erfüllung des Auskunftsanspruchs sei an § 362 Abs. 1 BGB zu messen und liege dann vor, wenn die Angaben nach dem erklärten Willen des Schuldners die Auskunft im geschuldeten Gesamtumfang darstellen. Der Schuldner habe – zumindest konkludent – zum Ausdruck zu bringen, dass die von ihm vorgelegten Daten aus seiner Sicht vollständig seien. Daran fehle es beispielsweise, wenn sich der Auskunftspflichtige hinsichtlich einer bestimmten Kategorie von Auskunftsgegenständen nicht erklärt hat, etwa weil er irrigerweise davon ausgeht, er sei hinsichtlich dieser Gegenstände nicht zur Auskunft verpflichtet.

Vorliegend habe die Beklagte erklärt, ein Auskunftsrecht bezüglich weitergehender Auskünfte hinsichtlich der gesamten noch nicht mitgeteilten Korrespondenz der Parteien, einschließlich der Daten des vollständigen Prämienkontos und etwaig erteilter Zweitschriften und Nachträge zum Versicherungsschein, sowie Datenauskünfte bezüglich sämtlicher Telefon-, Gesprächs- und Bewertungsvermerke der Beklagten zum Versicherungsverhältnis, bestehe nicht.

Diese Auskunftsgegenstände können nach Ansicht des BGH jedoch sehr wohl dem Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO Unterfallen. Der Begriff der „personenbezogenen Daten“ sei weit zu verstehen. Eine Einschränkung dieses Begriffs dahingehend, dass der Personenbezug eine signifikante biografische Informationen voraussetze, sei mit der diesbezüglichen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht zu vereinbaren. Die erteilte Auskunft sei damit nicht vollständig.

Auswirkungen auf die Praxis

Der BGH zieht den Begriff der „personenbezogenen Daten“ mit Verweis auf die europäische Rechtsprechung sehr weit und überträgt dieses Begriffsverständnis auch auf den Pflichtenrahmen des Art. 15 DSGVO. Dass Daten dem Betroffenen bereits bekannt sind, entbindet nach dem BGH ebenfalls nicht von der Auskunftspflicht. Damit werden verantwortliche Stellen zu überprüfen haben, ob neben den bisher zur Auskunftserteilung vorgesehenen Daten auch solche über Kundenkorrespondenz und zugehörige Vermerke entsprechend kategorisiert werden, damit diese im Bedarfsfall vorgelegt werden können.

Der BGH gesteht jedoch auch zu, dass rechtliche Bewertungen personenbezogener Vorgänge von seinem Begriffsverständnis personenbezogener Daten nicht erfasst seien. In diesen Fällen sei zwar über die zugrundeliegenden Tatsachen Auskunft zu erteilen, nicht aber hinsichtlich der konkreten rechtlichen Bewertung.

Schließlich ließ der BGH – mangels entsprechender Feststellungen in den Entscheidungen der Vorinstanzen – offen, ob etwaige Ausschlussgründe einem Auskunftsanspruch im konkreten Fall doch noch entgegenstehen.

Quelle: Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15.06.2021 (Az.: VI ZR 576/19), abrufbar unter http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=3&nr=119995&pos=27&anz=706

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